«Endlich hört uns jemand zu!»
Auch mehr als ein Jahr nach den schlimmen Unruhen leiden im abgelegenen Nono-Gebiet in Äthiopien zahlreiche Menschen unter den Nachwirkungen der Gewalttaten. Ein erfahrenes Team der Meserete-Kristos-Kirche hilft bei der Verarbeitung der seelischen Wunden.
Mathias Rellstab, Kommunikation Mission am Nil
Die Kirche, die als Partner der Mission am Nil die Friedensarbeit im Nono-Gebiet gestartet hat, griff für den schwierigen und auch nicht ungefährlichen Einsatz auf erfahrene Fachleute zurück. Dabei entstand umfangreiches Schulungsmaterial, das zum Teil Pioniercharakter hat. Es soll den Menschen helfen, das Geschehene aufzuarbeiten und zerbrochene Beziehungen wiederherzustellen. Zudem sollen sie in die Lage versetzt werden, sich anbahnende neue Konflikte frühzeitig zu erkennen und sie zu entschärfen. Nur so kann in der Region ein dauerhafter Friede entstehen, der die Basis für jede positive Entwicklung bildet.
Von der Trauer zum Blick nach vorne
Viele Familien im Nono-Gebiet haben bei den Ausschreitungen im November 2021 Angehörige verloren. Das Team der Meserete-Kristos-Kirche erkannte, dass viele sich immer noch in einem Zustand tiefer Trauer befinden. Um dem zu begegnen, wurden Gruppenseminare zur Traumabewältigung angeboten. Dort wurden Fragen besprochen wie: Warum müssen wir leiden, wenn Gott uns doch liebt? Was sind seelische Wunden, und wie können sie heilen? Wo können wir die bedrückende Last loswerden, und wie wird Vergebung möglich?
«Ihr versteht uns!»
Für viele Betroffene war es das erste Mal, dass sie offen über die belastenden Erlebnisse und ihre Gefühle sprechen konnten. Ein junger Mann aus dem Dorf Kembe, der bei den Massakern ein Kind, seine Mutter und zwei Brüder verloren hatte, gab nach dem Seminar Folgendes zu Protokoll: «Vor euch ist niemand gekommen und hat gefragt, wie es uns geht. Ich danke Gott, dass ihr den weiten Weg auf euch genommen habt, um uns zuzuhören. Das allein ist so wertvoll für uns. Wenn ich krank bin, gehe ich ins Gesundheitszentrum, schildere mein Problem und bekomme eine Medizin. Bei dieser Art von Leiden ist es anders: Niemand hier kennt sich damit aus, aber ihr versteht uns. Nun kann ich endlich wieder über meine Zukunft nachdenken und nach vorne blicken.»