Äthiopien und die Zahl 12
Über den Jahreswechsel besuchte eine kleine Gruppe junger Erwachsener Äthiopien, um dort etwas MN-Luft zu schnuppern. Eine von ihnen war Steffi Buhn, die derzeit die Missions- und Diakonie-Schule der SGM absolviert. Hier schildert sie ihre Eindrücke.
12 Tage gefüllt von Eindrücken und Erlebnissen – die immer noch verarbeitet werden wollen.
12 Leute waren wir insgesamt, wenn man neben Familie Hermann, die uns begleitete, auch Jesus mitrechnet, der ja auch immer dabei war!
Mit den 12 Jüngern Jesu haben wir uns beim Lesen der Apostelgeschichte beschäftigt und auch immer wieder tiefgründig darüber ausgetauscht.
Dutzende von Kilometern haben wir zurückgelegt – aufgeteilt auf zwei Autos kutschierten uns Katja und Emanuel Hermann bei unterschiedlichsten Strassenverhältnissen durchs Land.
Gefühlt zwölftausend Bilder und Videos haben wir geschossen – von den belebten Strassen über Einkäufe auf dem Markt und die obligaten Gruppenfotos bis zu den vielen Facetten von Gottes wunderbarer Schöpfung.
12 Unterschiede, die uns auffielen
1. Addis Abeba, die Hauptstadt, empfing uns mit gewaltigen neuen Parks, hell erleuchteten Strassen und vielen neuen Hochhäusern. Das passte überhaupt nicht zu dem Bild, das wir von Afrika hatten. Natürlich gibt es weiterhin viel Armut, doch wird diese immer mehr aus dem Stadtzentrum verdrängt. In der Walga war es dann so, wie wir es uns vorgestellt hatten: ländlich, die wunderbare Schöpfung inmitten von Dürre und Trockenheit und leider auch Armut in verschiedensten Ausprägungen.
2. Die Strassen, die absolut gefüllt sind von Menschen sind! Es spielt sich ALLES dort ab. In Europa sitzen die Menschen in ihren schönen Häusern, aber in Äthiopien lebt der Grossteil der Menschen in kleinsten Hütten, in denen sie sich natürlich nicht den ganzen Tag aufhalten wollen.
3. Der Verkehr: Trotz Schlaglöcher-Slalom sowie Ziegenherden, Kühen und Menschen, die «mir nichts dir nichts» die stark befahrene Hauptstrasse überquerten, auf der wir unterwegs waren, kam es zu keinem Unfall. Gott sei Dank für die Bewahrung.
4. Die Sprache (Amharisch) und die Kultur war natürlich ein grosser Unterschied, und doch wurden wir so herzlich aufgenommen, dass das gar nicht so ins Gewicht fiel. Auch wenn man uns auf den Strassen immer wieder laut „Ferenj“ (Ausländer) nachrief – das ist in fast allen Fällen ein Ausdruck von Begeisterung und kein Rassismus.
5. Der Gottesdienst war an Unterschieden fast nicht zu übertreffen – angefangen von dem Gebäude, das wie so viele Häuser in der Walga aus einem einfachen Holzgerüst besteht, das mit einem Lehm-Dreck-Gemisch verkleidet wurde, über die Dekoration (Luftballons und eine Girlande aus WC-Papier), den lebhaften Worship-Teil und die Menge an Menschen. Die Kirche platzte buchstäblich aus allen Nähten. So wurden auch Wasserkanister und Teppiche als zusätzliche Sitzgelegenheiten angeschleppt.
6. Das Essen, das aus Injera (gesäuertes Fladenbrot) mit meist scharf gewürztem Fleisch und Beilagen bestand. Ich persönlich habe es wirklich lieben gelernt, auch wenn ich immer noch nicht alles Scharfe in den Mengen essen kann wie die Äthiopier 😅.
7. Die finanziellen Verhältnisse mit der enormen Inflation: Es ist wirklich erschreckend, wie teuer bzw. unbezahlbar vieles für die Einheimischen geworden ist! Ein einfacher Bauarbeiter verdient in der Walga-Gegend pro Tag etwa 200 Birr, ein Erntearbeiter 500 Birr – gut 5 Franken. Mit dem Betrag, den wir in der Schweiz für einen Kaffee ausgeben, müssen sie ihre gesamte Familie ernähren.
8. Apropos Kaffee: Der wunderbare äthiopische Kaffee ist wirklich anders, als wir es von zuhause kannten. Aber wir waren hellauf begeistert von dem einzigartigen Geschmack und auch der Kaffeezeremonie mit dem Rösten der Bohnen und den Duft aus den Weihrauchgefässen, die zum Kaffee einfach dazugehören.
9. Die tägliche (an Feiertagen auch nächtliche) Geräuschkulisse – der „Singsang“ oder für unsere Ohren manchmal eher das „Klagelied“ des orthodoxen Priesters beim Gebet das durch Lautsprecher überall ertönt, war anfangs für mich sehr gewöhnungsbedürftig. Aber nach ein paar Tagen habe ich schmunzelnd festgestellt, dass ich mich daran genauso gewöhnt habe, wie an das Kuhglockenkonzert nach meinem Umzug in die Schweiz.
10. Die Zeitrechnung: Sie hinkt gegenüber der unseren um sieben Jahre hinterher, da in Äthiopien der Julianische Kalender gilt. So lebte ich sozusagen nochmals im 2017, dem Jahr, in dem ich mich bewusst für ein Leben mit Jesus entschieden hatte. Wenn ich darüber nachdenke, wie Jesus in den vergangenen acht Jahren mein Leben geführt hat, berührt mich der Vers aus Jesaja 55,9 sehr: «Seine Gedanken sind höher als unsere Gedanken und seine Wege höher als unsere Wege».
11. Die Menschen. Zum einen die Menschen die hinter der Walga-Klinik, dem Tsigereda-Schutzhaus und dem Misrach Center – und somit hinter der MN – stehen. Endlich Gesichter zu den Namen zu haben und teilweise persönliche Geschichten von den Mitarbeitern zu hören, war für mich sehr eindrücklich und hat mich noch mehr mit der Arbeit der MN verbunden 😍. Selber dort zu sein und nicht „nur“ Fotos und Videos zu sehen, war horizonterweiternd und augenöffnend – ich kann es nur jedem empfehlen!
12. Die Menschenmassen die wir gesehen haben – sooo viele Leute auf den Strassen, auf dem Markt, in der Kirche, am Flughafen... und Gott kennt und liebt jeden Einzelnen! Er zählt die Haare auf unserem Kopf, weiss wie es uns geht und sieht unsere Gedanken. Gewaltig.
Die Menschen machen es aus
Neben all den Eindrücken war es für uns unglaublich wertvoll, die Menschen kennenzulernen, die hinter der Walga-Klinik, dem Tsigereda-Schutzhaus und dem Misrach Center stehen. Endlich Gesichter zu den Namen zu haben und persönliche Geschichten von den Mitarbeitern zu hören, war sehr eindrücklich und hat uns noch mehr mit der Arbeit der Mission am Nil verbunden.
Zum Beispiel Ato Kefete, der medizinische Leiter des Walga-Gesundheitszentrums (Foto unten): Er nahm sich einen ganzen Vormittag Zeit, um uns über das Klinikgelände zu führen. Es ging durch Behandlungsräume, Labor und Apotheke, vorbei an den wartenden Patienten ins «Cardhouse», wo die Akten der Patienten aufbewahrt werden, bis zum Kreisssaal. Später fuhren wir in ein Dorf und durften dabei sein, als prophylaktisch Medikamente gegen Onchozerkiasis verteilt wurden. Diese durch Fadenwürmer verursachte, auch als «Flussblindheit» bekannte Krankheit ruft Abszesse an verschiedenen Körperteilen hervor und kann schliesslich zu Blindheit führen.
Ein Health Officer des Gesundheitszentrums lud uns in sein Zuhause ein. Zeleke und seine Frau Wörke liessen uns ihre enorme Gastfreundschaft spüren und teilten bei einem äthiopischen Zvieri persönliche Erlebnisse aus dem Klinikalltag mit uns. Zeleke ist es ein grosses Anliegen, die Menschen nicht nur äusserlich an ihren Wunden und Leiden zu behandeln, sondern auch ihre seelischen Bedürfnisse wahrzunehmen. Oft fragt er Patienten während oder nach der Behandlung, ob er für sie beten dürfe. Seine Freude war deutlich spürbar, als er berichtete, dass die Patienten dieses Angebot häufig sehr gerne annehmen. Beten wir weiter für offene Herzen und Mut, Weisheit und die richtigen Worte für die Mitarbeiter.
Unbrauchbar und wertlos?
Zurück vom ländlichen Äthiopien in die Hauptstadt Addis Abeba, wo sich das Misrach Center 1 und 2 befinden. Dort haben Menschen mit körperlicher Behinderung, darunter viele Blinde und Gehörlose, die Möglichkeit, eine Ausbildung zu absolvieren. Aber oftmals lernen sie zuerst einmal ganz grundlegende praktische Dinge – sogenannte „Life skills“, Grundlagen des täglichen Lebens, die ihnen vorher nie beigebracht wurden, weil sie völlig am Rand der Gesellschaft stehen. Menschen mit Behinderung gelten in den Augen vieler Äthiopier als unbrauchbar und wertlos. Aber nicht in Gottes Augen! Deshalb hat die MN es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Menschen in ihrer besonderen Armut zu helfen: „Wenn du einem Armen einen Fisch gibst, hat er am nächsten Morgen wieder Hunger. Bringst du ihm aber das Fischen bei, kann er sich selbst und andere versorgen. “ Multiplikation ganz praktisch!
Es hat mich wirklich bewegt zu sehen, wie glücklich die Auszubildenden sind, eine Arbeit zu haben, gebraucht zu werden und von Menschen umgeben zu sein, die selber ähnliches erlebt haben. Nicht wenige der Mitarbeiter und Ausbilder kamen vor Jahren selbst als Hilfesuchende ins MC. Ihr Leben hat eine totale Wende genommen, und nie geahnte Wege haben sich für sie aufgetan.
Für Gott gibt es keine hoffnungslosen Fälle, und wo wir nur unsere Grenzen sehen, hat er eine Fülle von Möglichkeiten. Bei ihm gibt es immer Hoffnung. Das drückt auch der Name dieser Ausbildungsstätte aus: „Misrach“ bedeutet übersetzt Hoffnung.
Ihre Spende macht es möglich
Dass junge Frauen und Männer mit Behinderung in Äthiopien einen Beruf lernen können, dass junge Frauen in Not Unterstützung erhalten, dass Menschen in der ländlichen Walga-Region medizinsch versorgt werden – all das ist nur dank Spenden möglich. Schon 10 Franken ermöglichen eine lebensrettende Behandlung. 50 Franken sichern den Lebensunterhalt für einen blinden Studenten während zwei Monaten. 500 Franken bilden das Startkapital für eine Schneiderin, die ihre Ausbildung abgeschlossen hat.
>> Jetzt spenden <<
Einfach das Online-Formular ausfüllen und im Feld «Nachricht» das gewünschte Projekt nennen.