Aus dem Dunkeln zurück ins Leben
Nach einer längeren Krankheitszeit befand sich unsere Mitarbeiterin Beatrice Hauser auf dem Weg der Genesung, als sie Ende Mai 2020 ein harter Rückschlag ereilte: Während eines Spitalaufenthalts rutschte sie auf Seifenwasser aus, fiel auf den Hinterkopf und erlitt eine schwere Gehirnerschütterung.
«Warum gerade jetzt?»
Bea, nach deiner Hirnerschütterung musstest du über Wochen zuhause im Dunkeln liegen, Tag und Nacht. Da frage ich mich als bewegungsliebender Mensch: Wie hält man das aus?
Die ersten zwei Wochen gingen sehr schnell vorbei, da ich die meiste Zeit schlief. Danach wurden die Tage und Nächte länger. So hatte ich viel Zeit, mir Gedanken über mein Leben zu machen und auch manches zu hinterfragen.
Verzweifelt warst du nie?
Mein erster Gedanke nach dem Unfall war, so seltsam das klingen mag: Das hat Gott aus Liebe zugelassen. So war es mir möglich, mich dankbar in Gottes Arme fallen zu lassen und alle meine Aufgaben loszulassen, für unbestimmte Zeit. Doch im Lauf der Tage und Wochen gab es auch schwierige Momente. So trieb mich die Frage um: Warum nur muss ich gerade jetzt, da ich nach einer längeren Krankheitszeit wieder zu Kräften kam, nochmals bei Null anfangen? Die Not wurde mir zu schwer und ich folgte einem Rat aus der Bibel: «Ist jemand krank, so rufe er die Ältesten der Gemeinde, damit sie für ihn beten …». In dieser Gebetsgemeinschaft konnte ich meine Not aussprechen und neuen Mut fassen.
Spaziergang vom Bett aus
Wie hast du Gott in der folgenden Zeit erlebt?
So oft ich meine Fragen vor ihm ausbreitete, zog in meinem Herzen Frieden ein und ich wurde getröstet durch Bibelverse, die ich mir verinnerlicht hatte und die mir nun in den Sinn kamen, zum Beispiel Psalm 16,11: «Du weist mir den Weg des Lebens; vor deinem Angesicht sind Freuden in Fülle und Segensgaben in deiner Rechten ewiglich.»
Das Gebet ist mir auch sonst ein fester Bestandteil meines Lebens, und nun hatte ich mehr Zeit denn je dafür. So «spazierte» ich jeweils durchs Dorf und machte in Gedanken Hausbesuche bei Freunden. Danach waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mission am Nil sowie anderer Werke an der Reihe, dann meine Familie usw. Diese Gemeinschaft mit Gott liess mich aufatmen und zufrieden sein in den engen Grenzen, die meinem Leben während dieser Wochen gesetzt waren.
Eine grosse Ermutigung waren auch kurze Besuche von Freunden, die mit mir beteten und Kartengrüsse vorlasen, die ich per Post erhalten hatte.
«Ich erlebte sehr viel Liebe und Nachsicht»
Wie nahmst du die Mission am Nil als Arbeitgeberin in dieser Krise wahr?
Nach einer Hirnerschütterung, wie ich sie erlebte, dauert es mindestens ein halbes Jahr bis zur völligen Wiederherstellung. Ich war dankbar zu wissen, dass ich mir die nötige Zeit nehmen durfte, um wieder auf die Beine zu kommen, ohne Druck. Dabei erlebte ich sehr viel Liebe und Nachsicht. Meine Aufgaben wurden aufs Team aufgeteilt. Daneben kauften meine Kolleginnen und Kollegen für mich ein, wuschen meine Wäsche, gaben mir Zuspruch und brachten sogar Blumen vorbei.
Wie ging und geht es dir beim schrittweisen Wiedereinstieg? Was macht dir dabei besonders Freude?
Glücklicherweise wohne ich im Haus, in dem sich die Geschäftsstelle befindet, und habe somit keinen Arbeitsweg. Ich konnte mit 25 % einsteigen und mich so nach der langen Zeit im Dunklen behutsam wieder an die Vielfalt des Lebens gewöhnen. Inzwischen geht es mir wieder so gut, dass ich bei 75 % meines Pensums angekommen bin.
Grosse Freude macht mir die Zusammenarbeit mit meiner jüngeren Kollegin Karoline Fust, die wie ich im Vortragsdienst tätig ist. Dazu tauschen wir uns regelmässig aus. Wenn «Karo» mir berichtet, wie sie in ihrer Arbeit Gottes Hilfe erlebt, stärkt mich das auch für meinen Dienst.
Andere ermutigen
Wir leben in einer verrückten Zeit, mit vielen Negativschlagzeilen, die Angst machen können – Stichwort Corona. Wie gehst du damit um?
Ich halte mich an die Hygieneregeln und Sicherheitsvorgaben, lasse mich aber davon und von den Nachrichten aus aller Welt nicht in die Enge drängen. Wichtig ist mir, dass wir unsere Mitmenschen nicht aus den Augen verlieren. Derzeit gibt es mehr Todesfälle durch Suizid als durch Covid-19, das beschäftigt mich sehr. Ich versuche Menschen in meinem Umfeld, die in dieser schwierigen Zeit den Mut verloren haben, zu ermutigen und ihnen eine Stütze zu sein.
Vielen Dank für deine Offenheit!
Bea Hauser (59) ist bei der Mission am Nil in der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Mit Vorträgen informiert sie z.B. in Gottesdiensten oder im Konf-Unterricht über die Arbeit der Mission am Nil und berichtet aus ihrem Leben. Weiter organisiert und leitet sie Gruppenreisen nach Afrika. Bis 1999 war sie zehn Jahre lang als Missionarin in Äthiopien, wo sie schwerpunktmässig Augenleiden behandelte.