Das Rohstoff-Dilemma im Kongo
Der Osten der Demokratischen Republik Kongo birgt gewaltige Bodenschätze wie Gold, Coltan oder Zinn. Doch statt Reichtum bringen die Rohstoffe Unheil. Während Rebellengruppen, undurchsichtige Netzwerke und letztlich die Industrieländer profitieren, leidet die Bevölkerung unter Gewalt und Vertreibung.
Félicité Mugombozi*
Das rohstoffreiche Gebiet im Ostkongo ist riesig und erstreckt sich über mehrere Provinzen. Neben den wertvollen Erzen wurde unter dem Virunga-Nationalpark, der für seine Berggorillas bekannt ist, sogar Öl entdeckt. Eigentlich könnten solch wertvolle Ressourcen eine Quelle für wirtschaftlichen Wohlstand sein. Dass es in der DR Kongo nicht so ist, hat vielfältige Gründe. In den abgelegenen, vom tropischen Regenwald bewachsenen Gebieten fehlt es an grundlegender Infrastruktur wie Strassen und Stromversorgung. Das Gebiet ausreichend zu kontrollieren, ist kaum möglich. Und dort, wo der Staat präsent ist, verhindert ein hohes Mass an Korruption, dass Recht und Gesetz durchgesetzt werden. So entsteht ein Machtvakuum, das andere Akteure zu ihrem eigenen Vorteil füllen.
Abbau ohne Menschenrechte
Während eine kleine Minderheit vom Bergbau profitiert, versinkt die grosse Mehrheit der Bevölkerung in Armut, mit einem Durchschnittseinkommen von 2,50 Euro pro Tag (Quelle: Weltbank 2021). An die Oberfläche geholt werden die unter dem Boden schlummernden Rohstoffe oft von Hand mit einfachsten Werkzeugen. Diese Arbeit erfordert keine besonderen Qualifikationen und lockt viele Menschen an, die hoffen, so ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern, darunter auch Frauen und Kinder. In den Minen herrschen oft erniedrigende und unmenschliche Umstände. Kinderarbeit ist weit verbreitet und setzt die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft Missständen aus, die von gnadenloser Ausbeutung bis hin zu sexueller Gewalt reichen.
Brutaler Verteilungskampf
Die Gewalt im Bergbau, so schlimm sie ist, verblasst beinahe im Vergleich zu den Gräueltaten, die im Zuge der brutalen Verteilungskämpfe um die Abbaugebiete verübt werden. Mehrere Kriegsparteien versuchen mit rücksichtsloser Gewalt, die Bergbaugebiete zu besetzen und zu kontrollieren. Auch vom Ausland gesteuerte Milizen beteiligen sich an dem brutalen Krieg. Alles in allem sind etwa 250 einheimische und mehr als ein Dutzend ausländische Gruppen involviert. Sie alle finanzieren mit dem Verkauf der Rohstoffe über dubiose Kanäle den Kauf von Waffen und den Sold ihrer Kämpfer. So werden die wertvollen Erze zum Treibstoff, der den Konflikt seit drei Jahrzehnten am Laufen hält.
Unvorstellbare Gewalt
Leidtragende sind vor allem die Menschen, die in der Nähe der Minen leben, aber letztlich die gesamte Bevölkerung im Osten des Landes. Es kommt zu Verschleppungen sowie unvorstellbarer körperlicher und sexueller Gewalt. Vergewaltigungen werden gezielt als Kriegswaffe eingesetzt, um Familien und Dorfgemeinschaften zu zerstören. Viele sehen sich gezwungen, ihre Häuser und Felder zu verlassen. Man schätzt, dass derzeit rund sieben Millionen Menschen innerhalb der DR Kongo auf der Flucht sind. Sie suchen Schutz in Camps rund um die städtischen Gebiete und leben unter verheerenden Bedingungen. Und auch dort kann es zu Angriffen durch die bewaffneten Gruppen kommen. Manche flüchten deshalb ins Ausland. Ein lokales Sprichwort besagt: «Es ist besser, Maniokblätter zu essen, wenn man Frieden hat, als Fleisch zu essen, wenn man keinen Frieden hat.» Alles ist besser als der Albtraum, den sie erlebt haben.
Umweltschäden durch den Abbau
Die ungeregelte Ausbeutung der Bodenschätze hat auch enorme Auswirkungen auf die Umwelt. Rund um die Siedlungen in den Bergbaugebieten sind die Böden mit Giftstoffen belastet. Der Bergbau treibt zudem die Entwaldung und Erosion voran. Dadurch kommt es vermehrt zu Überschwemmungen und Erdrutschen. Auch dadurch sind Menschen gezwungen, umzusiedeln und einen anderen Ort zum Leben zu finden.
Keine einfachen Lösungen
Trotz all der Nöte, die der Bergbau mit sich bringt, ist er die wichtigste Einnahmequelle der Region und ihrer Menschen. Das Gebiet mit seinen grandiosen Landschaften, Seen und den Berggorillas im Grenzgebiet zu Uganda wäre zudem prädestiniert für Tourismus. Doch dafür müssen die Konflikte um die Abbaugebiete beendet und der Bergbau so umstrukturiert werden, dass auch die Menschen vor Ort davon profitieren. Davon ist man leider weit entfernt.
Einen wichtigen Beitrag könnten die Kirchen leisten. Rund 85 Prozent der kongolesischen Bevölkerung sind praktizierende Christen. Kirchen könnten Aufklärungsarbeit über Gerechtigkeit im Bergbau leisten und als Ombudsstellen zur Überwachung der Bergbaugesetze fungieren. Diese Rolle würde zu ihrem Einfluss und gesellschaftlichen Ansehen im Land passen. Eine Theologie des sozialen Friedens könnte entwickelt werden, um das Bewusstsein für die Auswirkungen des Bergbaus zu schärfen.
Letztlich ist aber vor allem staatliches Handeln erforderlich. Die DR Kongo selbst trägt die Hauptverantwortung für den Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger sowie der Umwelt. Sie muss Wege finden, den Bergbau so zu kontrollieren, dass die Menschen gut von und mit ihm leben können.
Alleine wird das Land die Probleme allerdings nicht in den Griff bekommen. Da die ganze Welt von den kongolesischen Bodenschätzen profitiert, sind auch alle anderen Staaten in der Pflicht. Ansätze dazu können z.B. Initiativen sein, die eine konfliktfreie Herkunft von Rohstoffen anstreben, oder die internationale strafrechtliche Verfolgung von Personen, die in den illegalen Handel mit Rohstoffen verwickelt sind.
* Dieser Beitrag ist ein gekürzter Nachdruck aus der Zeitschrift «Gesundheit in der einen Welt» des Deutschen Instituts für ärztliche Mission (Difäm). Félicité Mugombozi, die Autorin, ist Anwältin und Dozentin in Goma, DR Kongo. Derzeit promoviert sie an der Universität Leipzig zum Thema «Humanitäres Völkerrecht und Schutzverantwortung am Beispiel der Demokratischen Republik Kongo».
Aktuelle Situation im Ostkongo
Der Ostkongo ist seit jeher eine unruhige Gegend, aber in den letzten Wochen erreichten uns erschreckende Nachrichten: Die Kriegsgewalt breitet sich wie ein Flächenbrand aus. Mehr dazu in unserem laufend aktualisierten Bericht zur Situation im Ostkongo.