Hilfe für junge Frauen in Not
Die Idee, sich speziell für in Not geratene junge Frauen in der Region zu engagieren, hatte Annarös Schafroth, Hebamme in der Walga-Klinik in Äthiopien, schon lange. Denn die Klinik war immer wieder mit ungewollt schwanger gewordenen Mädchen konfrontiert, teils kaum 13 oder 14 Jahre alt, die weder ein noch aus wussten.
Leider ist sexueller Missbrauch, oft im verwandtschaftlichen Umfeld, im ländlichen Äthiopien weit verbreitet. Auch Leichtsinn oder schlicht Unkenntnis spielt in manchen Fällen eine Rolle. Oft werden betroffene Mädchen und junge Frauen von ihrer Familie unter Druck gesetzt, ihr Kind abzutreiben, oder sie werden gar verstossen. Diese Not also bewegte Annarös. Aber was tun?
Schwierigkeiten noch und noch
Nach vielen Gebeten redete ein Bibelvers aus 2. Mose zu ihr: «Was schreist du zu mir? Sage den Kindern Israels, dass sie ziehen.» Für Annarös war das ein Fingerzeig von oben: Jetzt packen wir die Sache an! Sie erarbeitete einen ersten Projektvorschlag, statistische Daten wurden erhoben, Pläne gezeichnet. Dabei waren viele helfende Hände beteiligt. Doch am Tag des Baubeginns überbrachten Nachbarn einen Brief mit Drohungen – ein Ausdruck davon, wie umkämpft das Projekt war. Auch mit den lokalen Behörden gab es plötzlich Probleme. Doch der damalige administrative Leiter der Walga-Klinik setzte sich mit aller Kraft für das Projekt ein. Schliesslich konnte er die übergeordnete Regionalbehörde überzeugen. Der Kampf war gewonnen!
Auch während der Bauphase blieben Schwierigkeiten nicht aus, doch am 2. Oktober 2018 konnte die Einweihung stattfinden. Zuerst wurde das neue Angebot zögerlich in Anspruch genommen. Da freie Kapazität bestand, betreute Annarös zusammen mit ihrer äthiopischen Mitarbeiterin Mulu vorübergehend neugeborene Zwillinge, die unter tragischen Umständen ihre Mutter verloren hatten.
Schritt für Schritt kamen dann immer mehr junge Frauen. Derzeit sind alle fünf Plätze belegt.
Aufklärungsunterricht an Schulen
Der Aufenthalt im Tsigereda-Schutzhaus dauert bis zu sechs Monate nach der Geburt. Zum Tagesablauf gehört Unterricht zu Themen wie Babypflege, Haushaltsführung und Handarbeit, damit die jungen Frauen später ein möglichst selbstständiges Leben führen können. Gemeinsames Singen und biblischer Unterricht werden ebenfalls angeboten und sind beliebt. Ziel ist immer auch eine Versöhnung mit der Familie, was meist gelingt. Ein wichtiger Teil des Tsigereda-Projekts sind zudem Sommerkurse für Teenager-Mädchen sowie Aufklärungsunterricht an den Schulen der Region – damit es möglichst gar nicht erst zu unerwünschten Schwangerschaften kommt.
Schauen Sie auch unser Projektvideo an: Hier erzählt Annarös Schafroth die Geschichte der 17-jährigen Kemila, die von ihrem Onkel missbraucht wurde. Im Tsigereda fand sie Zuflucht und sieht nun wieder eine Perspektive für ihr Leben.
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